Bischofsheim an der Rhön in Franken/Bayern! Durch die Hölle gingen hier wieder ca. 3000 mutige Extremsportler aus Deutschland und dem europäischen Ausland. Bei nur 7 Grad C, wurden dabei von den Bravehearts 1400 Höhenmetern und eine Strecke von 24 km, mit mehreren kraftraubenden Stationen wie Schlammgruben, Kriech- u. Kletterhindernissen, Wasserdurchquerungen und unwegsamen steilen Abhängen und Aufstiegen quer durch den Wald bezwungen. Sieger 2017 sind Andreas Zwickel, Startnummer 213, Zeit: 2:18:26, beste Frau Ludmilla Hertle, Startnummer 2539, Zeit: 2:50:23 (Veranstalter-Info)
Braveheart Battle 2017
(Steve Klockow)
Auf den Spuren von William Wallace wollen wir heute leiden und kämpfen, wie er es tat.
Wir mögen keine schottischen Patrioten sein, aber wir können unsere eigene Geschichte schreiben, Schritt für Schritt .…
Samstag, 11 Uhr .…
Wir stehen bereits am Start und sind alle heiß auf den Kampf. Die Stimmung ist so aufgeladen, dass es fast knistert. Meine Flipflops sind mit Tapeband am Hacken festgebunden, aber die selbstkonstruierte Schnalle weist sich als sehr mangelhaft heraus und so reisse ich alles ab und stecke die Flipflops hinten in die Hose.
Wir starten.
Alle stürmen los, bergab. Viele fallen hin oder rutschen aus, weil sie zu schnell los laufen. Jetzt kommt eine Schneekanone. Der Schnee ist ziemlich kalt, aber wir sind schlau und tauchen an der Seite unter dem Strahl durch. Auf einigen Wegen bin ich froh keine Schuhe zu tragen, denn hier könnte man sie jetzt schon verlieren, wenn man mit dem Fuß bis zum Knöchel in den Schlamm einsinkt. Wir werden schnell auseinander gerissen. Die Sturmwolffahne wird vom ersten Mann getragen. Ich sehe sie ein Stück vor mir wehen. Vor mir Wölfe, hinter mir Wölfe. Ich bin die goldene Mitte.
Schneller werde ich erstmal nicht laufen. Die Damen hinter mir, holen mich sowieso noch schnell genug ein.
Ich bin kein schneller Läufer, aber ich kann Hindernisse meist gut überwinden, außerdem stresst es mich, lange irgendwo anzustehen und so drängle ich mich immer, höflich und mit einem Lächeln vor.
Die Strecke zieht sich. Ich laufe schon eine ganze Weile allein, aber bald holen sie mich bestimmt ein. Ich mache mir meine Gedanken, aber keine Sorgen. Sie sind zu dritt und können sich gegenseitig helfen, wenn etwas passiert.
So viele Steigungen und Berge. Ich sehe Kilometer 6.
Die Luft ist raus, aber der Kopf schaltet sich endlich ab und ich beginne nur noch von Schritt zu Schritt zu denken, langsam werde ich warm, blende alles andere aus und kämpfe mit mir selbst. Ich lächele immer wieder und denke daran, wie meine Freundin jetzt zu Hause sitzt an mich denkt. Im Gedanken spreche zu ihr, sie soll sich keine Sorgen um mich machen, ich komme heute nicht ohne Medaille nach Hause.
Die ersten Schmerzen kommen, endlich beginnt der Kampf!
Heute wird es nichts geben, das stärker ist als mein Wille.
Die Mädels haben mich eingeholt, aber beim nächsten Hindernis bin ich wieder schneller im Vordrängeln und lasse sie hinter mir. Wald, Feld, Berg hoch, Berg runter.
Es zieht am Fuß. Ich schaue nach unten und sehe meinen großen Zeh bluten. Ich habe keine Schmerzen, aber die Haut hängt nur noch dran. Darüber verärgert gehe ich zum nächsten Sanitäter und schreie von weitem: „ich brauche Tapeband ….!“.
Der Sanitäter kommt ganz entspannt zu mir getrabt und sagt: „wir verbinden es gleich“. Ich: „nichts verbinden, ich trage keine Schuhe und habe noch 12 Km vor mir. Wenn ich eine Binde kriege, ist sie nach 200 Metern kaputt“.
Die Sanis reinigen die Wunde und kleben etwas Tapeband drüber. Der Zeh schmerzt und ich merke ihn bei jedem Schritt, versuche aber die Schmerzen zu vergessen.
Ich verschwende keinen Gedanken ans Aufgeben!
Langsam komme ich voran. Wieder schaltet sich der Kopf ab, als ich ein lautes „Steeeeeve.…..! „hinter mir höre. Die Mädels haben mich endlich wieder eingeholt und laufen nun mit mir. Mit dem Fuß kann ich nicht so schnell laufen und sie überholen mich bald.
Jetzt muss ich wieder stehen. Viele Leute, keine Sicht, auf das, was passiert. Ich stehe und stehe, ätzend. Endlich sehe ich das Hindernis, ein Kriech-Hindernis. Ich lege mich hin und beginne zu kriechen.
Der Kopf ist wieder ohne Gedanken und ich bewege mich einfach fort. Mit den Flipflops, hinten in der Hose, bleibe ich an den Drähten, oben hängen. Als ich mich los machen will und den Arm nach hinten strecke, berühre ich die Leitung und bekomme eine schöne Ladung gepfeffert. Der Strom schießt durch meinen ganzen Körper. Für einen Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich wie gelähmt. Ein kurzer, intensiver Aufschrei, aber es geht weiter.
Nur nicht nochmal da oben ran kommen, denn das hat ganz schön geknallt. Leider ist der Typ vor mir echt langsam und ich bin nicht gut im Kriechen. Immer wieder komme ich gefährlich hoch mit dem Rücken und dem Kopf. Als ich das zweite Mal einen Stromschlag bekomme, sehe ich mich nun doch etwas mehr vor.
Wieder rein in den Wald. Die Berge runter rutschen. Nicht so lang und steil wie beim ersten Mal, aber trotzdem gefühlte 50 Meter. Ich sehe einen verletzten‑, von Sanitätern eingepackten, Mann zwischen den Bäumen liegen. Er sieht ziemlich schlecht aus. Ich rufe ihm zu, dass ich ihm alles Gute wünsche und laufe weiter. Jetzt kommt der Fluß. Mit kaputtem Zeh ziehe ich die Flipflops an und steige ins Wasser. Die Strömung ist ziemlich stark und da wir gegen den Strom laufen und Hindernisse zu meistern haben, rutsche ich immer wieder aus. Ich kann mich nur schwer halten, bin schon leicht benommen, eben ein Tief.
Ich mache mir bewusst, dass man als Läufer immer mal ein Tief hat und ich da schon wieder raus kommen werde.
Es kommt ein Netz, das über die Läufer gespannt ist. Man muss sich ducken um darunter lang laufen zu können. Es ist eine riesige Qual die Balance zu halten und gegen die Strömung in dem unebenen Fluss zu laufen. Die Strömung und die Steine reißen mir oft die Füße weg. Um die Balance nicht zu verlieren, muss ich mich irgendwo festhalten. Es gibt nichts außer diesem Netz, unter dem wir gebückt lang laufen müssen, weil es uns im Nacken hängt. Ich strecke seitlich die Arme aus und drücke sie mit der Oberseite gegen das Netz. So treffe ich zwar immer wieder andere Läufer am Kopf, aber es geht nicht anders. Umfallen heißt sich eventuell stark zu verletzen, denn die Steine im Fluss sind teilweise sehr spitz und die Strömung unbarmherzig.
Ich kann das Ende des Netzes sehen. Nur noch wenige Meter. Ich gehe am rechten Flussrand, weil ich mich dort an den Steinen abstützen kann. Endlich, ich sehe den Ausstieg aus dem Wasser. Glücklich nehme ich ihn, als ich wieder ein „Steeeeeeve …… !“ hinter mir höre. Ein Bekannter aus Saarbrücken, hat mich eingeholt. Ich war letztes Jahr für seine Freundin beim Braveheart Battle eingesprungen und nun laufen wir zusammen. Was für ein schöner Schicksalsschlag. Peter ist mir eine große Hilfe und seine Damen: Cindy und ihre Tochter stehen an der Strecke und unterstützen uns mit viel Pfefferminztee.
Ich bin schon ziemlich dehydriert und bei den Verpflegungsstellen stehen immer zu viel Leute an oder es wird nur süßer Tee ausgeschenkt.
Ich trinke ca. einen halben Liter, bis mein Durst gestillt ist. Jetzt hab ich wieder Power. Es geht weiter.
Wieder ab in den Fluss und gut an allem festhalten, was sich zu greifen bietet, auch andere Läufer dienen dazu. Entschuldigen braucht man sich nicht, denn wir sitzen alle im selben Boot und stützen uns gegenseitig, auch wenn wir uns vorher noch nie gesehen haben, halten wir zusammen.
Ich liebe diesen Zusammenhalt.
Wieder bergauf, die Berge sind so rutschig und so schlammig, dass man mit bloßen Füßen nicht einfach hoch kommt. Peter hilft mir und drückt mich so gut es geht nach vorne. Der erste Berg ist geschafft, aber mein Tape lockert sich vom Fuß. Ich ziehe es immer wieder zurecht, muss mich aber auch auf die Strecke konzentrieren. Der zweite Berg kommt und wieder muss ich alles geben. Das Tape lockert sich und fällt ab, während mich Peter hoch drückt. Der Zeh ist frei, aber Peter ruft: „du hast etwas verloren“. Er wirft es mir hoch und ich rufe ihm zu, dass er mein Held ist. Jetzt kommt der letzte Berg und diesmal merke ich, dass es jetzt einfach zu locker- und kaputt ist. Ich werfe es weg und laufe auf der Wunde weiter.
Wenn der Zeh an der Unterseite offen ist, bekommt man natürlich Angst, dass sich der Dreck zu tief in die Wunde setzt und so starken Schaden anrichten könnte, aber ich vertraue auf meinen Körper und ignoriere die Schmerzen.
Meine Gedanken sagen: Ich verstehe die Schmerzen, aber ich bin noch nicht am Ende und muss einfach weiter laufen. Beim nächsten Sanitäter versuche ich es nochmal. Kein gutes Tapeband, beim übernächsten das selbe. Egal, dann laufe ich ohne weiter.
Ich blende alles aus.
Peter wird etwas schneller, so dass ich nicht mehr mithalten kann und so schicke ich ihn weiter.
Jetzt muss ich mich ausruhen und mein eigenes Tempo laufen. Ich sehe Kilometer 16 und werde immer müder. Kein Essen für mich (nur Leberwurst- und Nutella-Brote an der Strecke, ess ich beides nicht).
Die Hindernisse fordern ihren Tribut.
Ich werde immer langsamer.
Ich schaue wieder auf meinen Fuß, wieder Blut an der Wunde. Was tun? Neben mir verläuft ein Fluss. Wenn man den Fuß lange genug ins Wasser hält, wird die Wunde vielleicht ein bisschen gesäubert und die Blutung stoppt, weil das Wasser so kühl ist. Gesagt, getan, klappt, super, also weiter 😀
Immer wieder zollen mir die Läufer, die an mir vorbei laufen Respekt für die fehlenden Schuhe.
Ein Läufer gesellt sich zu mir und fragt ob alles in Ordnung ist, als er mich hinken sieht. Er sagt: „Ich habe mir bei Kilometer vier den Finger gebrochen. Die Sanitäter wollten dass ich aufhöre, aber ich bin ja schon vier Kilometer gelaufen, da höre ich doch nicht mehr auf“. Ich liebe solche verrückten Menschen, sie passen einfach phantastisch zu mir.
Wieder geht es bergauf und ich merke, dass ich nicht mehr kann. Es geht nichts mehr. Ich brauche eine Pause. Ich lege mich an der Seite auf den Rücken. Ein Junge mit ca. 12 Jahren kommt zur mir und sagt: „steh auf, du bist noch nicht am Ende“. Ich antworte: „Ich brauche eine kurze Pause, lass mich kurz liegen“. Er sagt: „Wir machen einen Deal. Du stehst auf und ich gebe dir dafür Traubenzucker“. Ich lächle ihn an und richte mich auf. Er gibt mir den Traubenzucker und mein Körper beginnt sich wieder von allein zu bewegen. Neue Kräfte kommen zum Vorschein. Ich kann endlich wieder laufen. Er läuft mit mir weiter.
Nach einer Zeit, sage ich ihm, wie glücklich ich bin, dass er bei mir ist. Lächelnd und dankbar antwortet er, dass er froh ist, jemanden gefunden zu haben für den es etwas bringt.
Ich bin ziemlich von ihm beeindruckt. Ca. 12 Jahre alt und schon so empathisch. Den letzten Kilometer lässt er mich allein laufen weil er auf Freunde warten will.
Es kommt ein Weg der eine längere Strecke bergab geht. Ich laufe schnell und werde immer noch schneller. So schnell, dass ich beschließe meine Schritte etwas sprunghafter zu wählen um noch weiter zu kommen. Mit jedem Sprung komme ich noch ein gutes Stück weiter, als wenn ich nur so laufen würde.
Endlich, das Ziel ist schon zu hören. Ich laufe auf ein Feld zu. Schei.…. wieder bergauf. Egal, die letzten Meter laufe ich, jetzt wird nicht mehr gegangen. 100 Meter später ändert sich meine Meinung, weil der Weg einfach zu steil ist. Ich muss nochmal kurz gehen. Jetzt wieder bergab, der Boden ist rutschig, aber ich renne wieder was das Zeug hält. Die Gefahr ist groß auszurutschen, aber es sind auch nur noch wenige Meter also gehe ich das Risiko ein und renne so schnell mich die Füße tragen. Nun ist das Ziel in Sicht. Die Leute applaudieren schallend. Ich laufe durchs Ziel und bekomme meine Medaille.
Ich bin so glücklich und ausgelaugt zugleich.
Das Duschen nach dem Lauf ist immer das Schlimmste. Wenn der Schlamm sich getrocknet hat, ist die Haut total wund und angespannt. Ich stehe dann immer unter der Dusche und leide mehr als beim Laufen. Dieses Mal war ich so fertig, dass ich im Sitzen, halb liegend geduscht habe. Es war die Hölle, ich war um 9 im Bett und habe 11 Stunden geschlafen.
Muskelkater gab es reichlich und der Zeh macht mir noch ein paar Probleme, aber das kriege ich auch wieder hin.
Veranstalter: braveheartbattle.de
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