43. GutsMuths-Rennsteiglauf, 09.05.15

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Ein Lauf­bericht von Steve Klockow

72 Km voller Emotionen

Ich bin gestern in Thürin­gen den Rennsteig Super­marathon zum ersten Mal gelaufen. Eine wun­der­schöne Atmo­sphäre, mit viel Natur, aber auch vie­len Teil­nehmern und vor allem, vie­len Höhenmetern. 

Wir starteten Punkt 6 in Eise­nach. Ich bemerk­te, dass ich richtig gut drauf war und viel Energie in mir trug. Ich lief also recht schnell, aber trotz­dem sehr besonnen. 

Alles lief ein­fach phan­tastisch. Ich lief über 20 Km wie ein junger Gott und flog förm­lich dahin. 

Lei­der muss ich aber geste­hen, dass ich nicht immer der vernün­ftig­ste Läufer bin und gern Dinge austeste, die mich oft in schwierige Sit­u­a­tio­nen bringen. 

Dieses Mal wollte ich unbe­d­ingt mit meinen neuen Five Fin­gers laufen. Sie haben keine richtige Sohle und dementsprechend auch keine Dämp­fung. Und so merk­te ich bei jedem Schritt, jeden spitzen Stein.

Ich habe nicht erwartet, dass es am Rennsteig auf den Pfaden so viele spitze Steine gäbe und so tat­en mir nach ca 20 Km so sehr die Füße weh, dass ich mir etwas über­legen musste. 

Ich lief also jedes Mal, wenn ich die Möglichkeit hat­te auf ein­er Gras­narbe, denn diese waren meist sehr weich und ste­in­frei. Oft ging es aber lei­der nicht und ich musste wieder auf den Wegen laufen.

Und so schleppte ich mich dahin, Schritt für Schritt. Wenn man weiß, dass man noch über 50 Km vor sich hat, denkt man nur noch Schritt für Schritt. Ich motivierte mich mit der Tat­sache, dass jed­er weit­ere Schritt ein­er in Rich­tung Ziel ist und ich hielt mir vor Augen, wie mir im Ziel die Medaille umge­hangen wird. Das ist eine starke Moti­va­tion, wenn es mir nicht gut geht. Und so kämpfte ich mit mir. 

Bei ca. 30 Km sah ich eine junge Frau, die sich schmerzverzehrt das Knie hielt. Ganz der Kava­lier, fragte ich, ob alles in Ord­nung wäre und sie sagte “nein, ich habe plöt­zlich starke Schmerzen im Knie”. Ich sagte ihr, dass wir ja ein Stück zusam­men gehen kön­nen und dass der Schmerz auch so plöt­zlich ver­schwinden könne, wie er kam. 

Wir liefen also zusam­men und stell­ten uns einan­der vor. Anne lief ihren ersten Ultra und hat­te sich ein großes Team aus zwei weit­eren Läufern und vie­len Betreuern mit­ge­bracht, die sie alle anfeuerten. Als Neul­ing war sie die let­zte der Truppe und nun mit mir unterwegs. 

Ich war froh, dass ich einen Lei­denspart­ner hat­te, mit dem ich mich absprechen und gegen­seit­ig motivieren kon­nte. Wir führten viele Gespräche und ver­sucht­en uns gegen­seit­ig abzu­lenken. Aber die Schmerzen blieben trotz­dem und so kämpften wir uns Schritt für Schritt in Rich­tung Ziel. 

Wir hat­ten laufend die Zeit im Auge und merk­ten irgend­wann, dass wir es nicht mehr schaf­fen wür­den, wenn wir so weit­er machten. 

Hinzu kam, dass die Strecke etwas mit der Länge ver­wirrte. Wir wussten nicht genau, ob es 72 oder mehr Km sind. Das ist natür­lich kein Prob­lem, wenn man noch genug Zeit hat, aber in unserem Fall war es tragisch, denn wir waren bei­de total fer­tig und quäl­ten uns schon seit eini­gen Stunden. 

Ich merk­te, dass ich mit ihrer Geschwindigkeit nicht mehr mithal­ten kon­nte und sagte ihr, dass sie vor­ren­nen solle. Als sie dann weg war, pack­te mich aber der Ehrgeiz und ich ver­suchte mich men­tal zu besin­nen. Ich set­zte mich, schloss die Augen, dehnte mich kurz und beschloss nun wie der Teufel zu rennen. 

Ich fragte beim näch­sten Verpfle­gungspunkt, wie weit es noch wäre. Die Dame sagte mir, es wären noch 9 Km in 1.13 Stun­den. Ich wusste aber, dass ich nicht ordentlich auftreten kon­nte, weil mir bei jedem Schritt die Füße weh taten. 

Jet­zt wusste ich aber, es geht ums ganze. 

Ich würde niemals in so ein­er Sit­u­a­tion das Hand­tuch wer­fen. Wenn ich schon so lei­den muss, will ich auch die Medaille dafür bekom­men. Also ran­nte ich los und spürte meine Füße und meine muskulären Schmerzen. Mein Knie tat weh, meine Hüfte schmerzte und meine Füße beka­men jedes Mal einen starken stechen­den Schmerz, wenn ich auf einen der vie­len Steine trat. 

Ich biss die Zähne zusam­men und ballte meine Fäuste vor Schmerz, aber ich wusste, dass das alles bald vor­bei wäre, wenn ich jet­zt weit­er machte. Jet­zt musste ich kämpfen und alles geben, damit es nicht umson­st war. Ich über­holte nun viele weit­ere Läufer und kon­nte auch Anne wieder ein­holen. Sie lief mit mir im sel­ben Tem­po und wir ver­sucht­en uns gegen­seit­ig zu pushen. 

Als wir dann das Tor sahen, viel uns bei­de eine große Last von den Schul­tern. Wir liefen etwas langsamer und entspan­nter hin und merk­ten auf ein­mal, dass es gar nicht das Ziel-Tor war son­dern nur ein Tor, das zum Ziel führte. Die Dame am Tor sagte: “nur noch einen Kilo­me­ter, dann habt ihr es geschafft”. 

Ihr kön­nt euch denken, wie es mir in diesem Moment ging. 

Ich ran­nte also weit­er mit Anne und wir ran­nten durch ein zweites Tor, bis wir dann endlich das Ziel-Tor entdeckten. 

Ich war so voller Glück­shormone, dass ich nochmal alles aus mir her­ausholte, um nicht durchs Ziel zu kriechen. 

Endlich kam der lang ersehnte Moment und ich bekam meine Medaille, Anne und ich schlossen uns gegen­seit­ig in die Arme und direkt darauf, legte ich mich auf die Wiese und wollte nur noch aus­ruhen. Ich kon­nte dann aber im Bus über eine Stunde schlafen, was mir sehr weit­er half.

Trotz der vie­len harten Umstände, kon­nten wir es schaf­fen. Wir haben nicht aufgegeben, obwohl wir bei­de stark gelit­ten haben. Aber das ganze Lei­den hat sich gelohnt, denn nun haben wir bei­de eine Geschichte, die wir für ewig pos­i­tiv erzählen kön­nen, anstatt allen zu erk­lären, warum wir es nicht schaf­fen konnten.

Ver­anstal­ter: Rennstei­glauf

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