Fast ein Triathlon
Was gibt es Schöneres, als an einem verregneten, kalten Sonntag um 7:00 Uhr aufzustehen, um an einer morgendlichen Laufveranstaltung teilzunehmen? Menschen mit viel Phantasie wird da sicherlich so Einiges einfallen. Aber ich hatte mich verabredet — und brauchte außerdem noch Punkte für den Berliner Läufercup, zu dem ich mich (in einem Anfall geistiger Umnachtung und kolossaler Selbstüberschätzung) in diesem Jahr erstmals angemeldet hatte. Von sechs möglichen hatte ich erst an zwei Läufen teilgenommen, und bildete das glanzvolle Schlusslicht in meiner Wertungsklasse W35. Also entschloss ich mich nach kurzem Zaudern, nicht zu kneifen, und fand den mühsamen Weg aus dem Bett.
Eigentlich hatte ich mich sehr auf diesen Lauf gefreut. Obwohl an diesem 2. Juni noch viele andere reizvolle Laufveranstaltungen angeboten wurden (der Schlösserlauf in Potsdam zum Beispiel, oder der Lauf in den Internationalen Gärten der Welt in Marzahn), hatte ich mich bewusst für die Lichtenrader Meile entschieden. Zum einen natürlich, weil es ein Wertungslauf für den Berliner Läufercup war. Und zum anderen, weil die Laufstrecke quasi vor meiner Haustür lag und direkt an meiner Arbeitsstätte vorbeiführte. Obgleich ich nun schon viele Jahre in der Motzener Straße in Berlin-Marienfelde und damit in einem der größten Industriegebiete Berlins arbeite, habe ich es bisher noch nie zum Laufen in das angrenzende, weitläufige und sehr grüne Parkgelände dahinter geschafft. Nur davon gehört: dass es sehr schön sein soll nämlich, und auch einen für Berliner Verhältnisse recht hohen, ehemaligen Müllberg geben soll.
Am Veranstaltungsort angekommen wusste ich nicht, wer mir mehr leid tat — meine Begleitung, die nun knapp 90 Minuten im Regen stehen und meinen Rucksack halten musste, oder ich, die einen 15 Kilometer-Lauf gegen Wind und Wetter absolvieren würde. Der Startbereich war relativ klein, und alles war überlagert vom Bratwurstgeruch, der sich vom Grillstand aus mit dem Wind in alle Richtungen verbreitete. Ganz sicher war ich an diesem Tag die Einzige, die das störte — nur knapp 500 Läufer_innen hatten sich in den Marienfelder Schichauweg verirrt. Und nur eine davon trug ein Vegan Runners-Shirt. Ich fühlte mich ganz schön allein.
Ich war froh, als es endlich losging — endlich Bewegung, um Kälte und Bratwurstgeruch zu entgehen, und es hinter mich zu bringen! Es ging direkt in das Grüngelände hinein, vorbei an Industriebauten auf der einen und grüner Natur auf der anderen Seite des Weges. Der besagte Müllberg ließ nicht lange auf sich warten — gut, dass ich angefangen hatte, gezieltes Steigungstraining zu machen, was in der flachen Ebene Berlins aufgrund spärlich gestreuter Trainingsobjekte nicht ganz einfach ist. Der Berg hatte in diesem Fall vier Steigungen, und ich hatte mir vorgenommen, es beim ersten Mal vorsichtig anzugehen, da ich wusste, dass es auf der zweiten Runde bestimmt um ein vielfaches anstrengender sein würde.
Irgendwann zwischendurch begann es immer stärker zu regnen. Einerseits war das ganz gut — bei solchen Wetterverhältnissen lassen sich Läufe auch ohne Getränk gut aushalten. Und wenn man erst mal unterwegs ist, wird der Regen ja eigentlich auch erst dann richtig unangenehm, wenn man unvorsichtigerweise durch eine Pfütze getappt ist. Was mir glücklicherweise nur einmal passierte.
Die Laufstrecke an sich war wunderschön, es ging größtenteils mitten durch Feld und Wald, und auch direkt an der NABU Naturschutzstation Marienfelde vorbei. Einen kurzen Augenblick befürchtete ich, Magenprobleme zu bekommen — bis ich realisierte, dass die komischen Geräusche nicht aus meinem Bauch, sondern von den quakenden Fröschen kamen 🙂
So verging die erste Runde eigentlich recht schnell, es gab ja viel zu sehen (für Leute, die Waldläufe mehr mögen, als überfüllte Straßenläufe mit jeder Menge klatschenden Menschen am Rand). Der Berg war beim zweiten Mal natürlich eine Herausforderung — aber ich kämpfte und ließ mich nicht entmutigen. Das gute an Bergen ist ja: Wenn man erst mal oben ist, geht es nur noch hinunter. Der Regen wurde immer stärker. Die Streckenposten, die sich unter Regenschirme und Regenjacken kauerten, witzelten, dass dies eigentlich kein reiner Lauf, sondern fast schon ein Triathlon sei — bei dem vielen Wasser. Ich wollte endlich ins Ziel kommen, nach Hause fahren und eine schöne heiße Dusche nehmen!
Dermaßen motiviert lief ich weiter, das Ziel und meine möglichen Punkte für den Berlin Cup vor Augen. Nach etwas mehr als 1:25 h trugen mich dann Silbermond’s “Krieger des Lichts” quasi durch das Ziel. Sorry — ich mag es eben kitschig und das Lied passte super zu dem Tag 🙂 Ich war erschöpft, aber glücklich und mehr als zufrieden mit meiner Leistung — und darüber, dass ich nicht gekniffen hatte.
So schnell habe ich mich dann glaube ich noch bei keiner Laufversantaltung nach dem Zieleinlauf aus dem Staub gemacht, es war einfach zu ungemütlich. “Jetzt erst mal ne schöne Bratwurst!” — oh nein, da war es schon wieder…
Punkte für den Berliner Läufercup habe ich übrigens tatsächlich bekommen, zum ersten Mal bin ich sogar nicht Letzte in meiner Wertungsklasse geworden. In der Gesamtwertung liege ich aber trotzdem immer noch ganz hinten *schäm*. Egal, es kommen ja noch ein paar Läufe. Wichtig ist außerdem, dass es Spaß macht, und das hat es. Trotz Regen und Kälte. Und Bratwurst.
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Hey gratuliere! Klingt nach einem harten aber super durchgehaltenen Lauf!
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