Braveheart Battle 2017, 11.03.17


Bischof­sheim an der Rhön in Franken/Bayern! Durch die Hölle gin­gen hier wieder ca. 3000 mutige Extrem­sportler aus Deutsch­land und dem europäis­chen Aus­land. Bei nur 7 Grad C, wur­den dabei von den Brave­hearts 1400 Höhen­metern und eine Strecke von 24 km, mit mehreren kraftrauben­den Sta­tio­nen wie Schlam­m­gruben, Kriech- u. Klet­ter­hin­dernissen, Wasser­durch­querun­gen und unwegsamen steilen Abhän­gen und Auf­stiegen quer durch den Wald bezwun­gen. Sieger 2017 sind Andreas Zwick­el, Start­num­mer 213, Zeit: 2:18:26, beste Frau Lud­mil­la Her­tle, Start­num­mer 2539, Zeit: 2:50:23 (Ver­anstal­ter-Info)

Brave­heart Bat­tle 2017
(Steve Klockow)

Auf den Spuren von William Wal­lace wollen wir heute lei­den und kämpfen, wie er es tat.

Wir mögen keine schot­tis­chen Patri­oten sein, aber wir kön­nen unsere eigene Geschichte schreiben, Schritt für Schritt .…

Sam­stag, 11 Uhr .…

Wir ste­hen bere­its am Start und sind alle heiß auf den Kampf. Die Stim­mung ist so aufge­laden, dass es fast knis­tert. Meine Flipflops sind mit Tape­band am Hack­en fest­ge­bun­den, aber die selb­stkon­stru­ierte Schnalle weist sich als sehr man­gel­haft her­aus und so reisse ich alles ab und stecke die Flipflops hin­ten in die Hose. 

Wir starten.

Alle stür­men los, bergab. Viele fall­en hin oder rutschen aus, weil sie zu schnell los laufen. Jet­zt kommt eine Schneekanone. Der Schnee ist ziem­lich kalt, aber wir sind schlau und tauchen an der Seite unter dem Strahl durch. Auf eini­gen Wegen bin ich froh keine Schuhe zu tra­gen, denn hier kön­nte man sie jet­zt schon ver­lieren, wenn man mit dem Fuß bis zum Knöchel in den Schlamm einsinkt. Wir wer­den schnell auseinan­der geris­sen. Die Sturm­wolf­fahne wird vom ersten Mann getra­gen. Ich sehe sie ein Stück vor mir wehen. Vor mir Wölfe, hin­ter mir Wölfe. Ich bin die gold­ene Mitte.

Schneller werde ich erst­mal nicht laufen. Die Damen hin­ter mir, holen mich sowieso noch schnell genug ein. 

Ich bin kein schneller Läufer, aber ich kann Hin­dernisse meist gut über­winden, außer­dem stresst es mich, lange irgend­wo anzuste­hen und so drän­gle ich mich immer, höflich und mit einem Lächeln vor.

Die Strecke zieht sich. Ich laufe schon eine ganze Weile allein, aber bald holen sie mich bes­timmt ein. Ich mache mir meine Gedanken, aber keine Sor­gen. Sie sind zu dritt und kön­nen sich gegen­seit­ig helfen, wenn etwas passiert. 

So viele Stei­gun­gen und Berge. Ich sehe Kilo­me­ter 6. 

Die Luft ist raus, aber der Kopf schal­tet sich endlich ab und ich beginne nur noch von Schritt zu Schritt zu denken, langsam werde ich warm, blende alles andere aus und kämpfe mit mir selb­st. Ich lächele immer wieder und denke daran, wie meine Fre­undin jet­zt zu Hause sitzt an mich denkt. Im Gedanken spreche zu ihr, sie soll sich keine Sor­gen um mich machen, ich komme heute nicht ohne Medaille nach Hause. 

Die ersten Schmerzen kom­men, endlich begin­nt der Kampf!

Heute wird es nichts geben, das stärk­er ist als mein Wille. 

Die Mädels haben mich einge­holt, aber beim näch­sten Hin­der­nis bin ich wieder schneller im Vor­drän­geln und lasse sie hin­ter mir. Wald, Feld, Berg hoch, Berg runter. 

Es zieht am Fuß. Ich schaue nach unten und sehe meinen großen Zeh bluten. Ich habe keine Schmerzen, aber die Haut hängt nur noch dran. Darüber verärg­ert gehe ich zum näch­sten San­itäter und schreie von weit­em: „ich brauche Tapeband ….!“. 

Der San­itäter kommt ganz entspan­nt zu mir getra­bt und sagt: „wir verbinden es gle­ich“. Ich: „nichts verbinden, ich trage keine Schuhe und habe noch 12 Km vor mir. Wenn ich eine Binde kriege, ist sie nach 200 Metern kaputt“. 

Die Sanis reini­gen die Wunde und kleben etwas Tape­band drüber. Der Zeh schmerzt und ich merke ihn bei jedem Schritt, ver­suche aber die Schmerzen zu vergessen. 

Ich ver­schwende keinen Gedanken ans Aufgeben!

Langsam komme ich voran. Wieder schal­tet sich der Kopf ab, als ich ein lautes „Steeeeeve.…..! „hin­ter mir höre. Die Mädels haben mich endlich wieder einge­holt und laufen nun mit mir. Mit dem Fuß kann ich nicht so schnell laufen und sie über­holen mich bald.

Jet­zt muss ich wieder ste­hen. Viele Leute, keine Sicht, auf das, was passiert. Ich ste­he und ste­he, ätzend. Endlich sehe ich das Hin­der­nis, ein Kriech-Hin­der­nis. Ich lege mich hin und beginne zu kriechen. 

Der Kopf ist wieder ohne Gedanken und ich bewege mich ein­fach fort. Mit den Flipflops, hin­ten in der Hose, bleibe ich an den Dräht­en, oben hän­gen. Als ich mich los machen will und den Arm nach hin­ten strecke, berühre ich die Leitung und bekomme eine schöne Ladung gepf­ef­fert. Der Strom schießt durch meinen ganzen Kör­p­er. Für einen Bruchteil ein­er Sekunde füh­le ich mich wie gelähmt. Ein kurz­er, inten­siv­er Auf­schrei, aber es geht weiter.

Nur nicht nochmal da oben ran kom­men, denn das hat ganz schön gek­nallt. Lei­der ist der Typ vor mir echt langsam und ich bin nicht gut im Kriechen. Immer wieder komme ich gefährlich hoch mit dem Rück­en und dem Kopf. Als ich das zweite Mal einen Strom­schlag bekomme, sehe ich mich nun doch etwas mehr vor. 

Wieder rein in den Wald. Die Berge runter rutschen. Nicht so lang und steil wie beim ersten Mal, aber trotz­dem gefühlte 50 Meter. Ich sehe einen verletzten‑, von San­itätern eingepack­ten, Mann zwis­chen den Bäu­men liegen. Er sieht ziem­lich schlecht aus. Ich rufe ihm zu, dass ich ihm alles Gute wün­sche und laufe weit­er. Jet­zt kommt der Fluß. Mit kaput­tem Zeh ziehe ich die Flipflops an und steige ins Wass­er. Die Strö­mung ist ziem­lich stark und da wir gegen den Strom laufen und Hin­dernisse zu meis­tern haben, rutsche ich immer wieder aus. Ich kann mich nur schw­er hal­ten, bin schon leicht benom­men, eben ein Tief.

Ich mache mir bewusst, dass man als Läufer immer mal ein Tief hat und ich da schon wieder raus kom­men werde. 

Es kommt ein Netz, das über die Läufer ges­pan­nt ist. Man muss sich duck­en um darunter lang laufen zu kön­nen. Es ist eine riesige Qual die Bal­ance zu hal­ten und gegen die Strö­mung in dem unebe­nen Fluss zu laufen. Die Strö­mung und die Steine reißen mir oft die Füße weg. Um die Bal­ance nicht zu ver­lieren, muss ich mich irgend­wo fes­thal­ten. Es gibt nichts außer diesem Netz, unter dem wir gebückt lang laufen müssen, weil es uns im Nack­en hängt. Ich strecke seitlich die Arme aus und drücke sie mit der Ober­seite gegen das Netz. So tre­ffe ich zwar immer wieder andere Läufer am Kopf, aber es geht nicht anders. Umfall­en heißt sich eventuell stark zu ver­let­zen, denn die Steine im Fluss sind teil­weise sehr spitz und die Strö­mung unbarmherzig. 

Ich kann das Ende des Net­zes sehen. Nur noch wenige Meter. Ich gehe am recht­en Flussrand, weil ich mich dort an den Steinen abstützen kann. Endlich, ich sehe den Ausstieg aus dem Wass­er. Glück­lich nehme ich ihn, als ich wieder ein „Steeeeeeve …… !“ hin­ter mir höre. Ein Bekan­nter aus Saar­brück­en, hat mich einge­holt. Ich war let­ztes Jahr für seine Fre­undin beim Brave­heart Bat­tle einge­sprun­gen und nun laufen wir zusam­men. Was für ein schön­er Schick­salss­chlag. Peter ist mir eine große Hil­fe und seine Damen: Cindy und ihre Tochter ste­hen an der Strecke und unter­stützen uns mit viel Pfefferminztee. 

Ich bin schon ziem­lich dehy­dri­ert und bei den Verpfle­gungsstellen ste­hen immer zu viel Leute an oder es wird nur süßer Tee ausgeschenkt. 

Ich trinke ca. einen hal­ben Liter, bis mein Durst gestillt ist. Jet­zt hab ich wieder Pow­er. Es geht weiter. 

Wieder ab in den Fluss und gut an allem fes­thal­ten, was sich zu greifen bietet, auch andere Läufer dienen dazu. Entschuldigen braucht man sich nicht, denn wir sitzen alle im sel­ben Boot und stützen uns gegen­seit­ig, auch wenn wir uns vorher noch nie gese­hen haben, hal­ten wir zusammen. 

Ich liebe diesen Zusammenhalt. 

Wieder bergauf, die Berge sind so rutschig und so schlam­mig, dass man mit bloßen Füßen nicht ein­fach hoch kommt. Peter hil­ft mir und drückt mich so gut es geht nach vorne. Der erste Berg ist geschafft, aber mein Tape lock­ert sich vom Fuß. Ich ziehe es immer wieder zurecht, muss mich aber auch auf die Strecke konzen­tri­eren. Der zweite Berg kommt und wieder muss ich alles geben. Das Tape lock­ert sich und fällt ab, während mich Peter hoch drückt. Der Zeh ist frei, aber Peter ruft: „du hast etwas ver­loren“. Er wirft es mir hoch und ich rufe ihm zu, dass er mein Held ist. Jet­zt kommt der let­zte Berg und dies­mal merke ich, dass es jet­zt ein­fach zu lock­er- und kaputt ist. Ich werfe es weg und laufe auf der Wunde weiter. 

Wenn der Zeh an der Unter­seite offen ist, bekommt man natür­lich Angst, dass sich der Dreck zu tief in die Wunde set­zt und so starken Schaden anricht­en kön­nte, aber ich ver­traue auf meinen Kör­p­er und ignoriere die Schmerzen. 

Meine Gedanken sagen: Ich ver­ste­he die Schmerzen, aber ich bin noch nicht am Ende und muss ein­fach weit­er laufen. Beim näch­sten San­itäter ver­suche ich es nochmal. Kein gutes Tape­band, beim übernäch­sten das selbe. Egal, dann laufe ich ohne weiter. 

Ich blende alles aus.

Peter wird etwas schneller, so dass ich nicht mehr mithal­ten kann und so schicke ich ihn weiter. 

Jet­zt muss ich mich aus­ruhen und mein eigenes Tem­po laufen. Ich sehe Kilo­me­ter 16 und werde immer müder. Kein Essen für mich (nur Leber­wurst- und Nutel­la-Brote an der Strecke, ess ich bei­des nicht). 

Die Hin­dernisse fordern ihren Tribut. 

Ich werde immer langsamer. 

Ich schaue wieder auf meinen Fuß, wieder Blut an der Wunde. Was tun? Neben mir ver­läuft ein Fluss. Wenn man den Fuß lange genug ins Wass­er hält, wird die Wunde vielle­icht ein biss­chen gesäu­bert und die Blu­tung stoppt, weil das Wass­er so kühl ist. Gesagt, getan, klappt, super, also weiter 😀

Immer wieder zollen mir die Läufer, die an mir vor­bei laufen Respekt für die fehlen­den Schuhe. 

Ein Läufer gesellt sich zu mir und fragt ob alles in Ord­nung ist, als er mich hinken sieht. Er sagt: „Ich habe mir bei Kilo­me­ter vier den Fin­ger gebrochen. Die San­itäter woll­ten dass ich aufhöre, aber ich bin ja schon vier Kilo­me­ter gelaufen, da höre ich doch nicht mehr auf“. Ich liebe solche ver­rück­ten Men­schen, sie passen ein­fach phan­tastisch zu mir. 

Wieder geht es bergauf und ich merke, dass ich nicht mehr kann. Es geht nichts mehr. Ich brauche eine Pause. Ich lege mich an der Seite auf den Rück­en. Ein Junge mit ca. 12 Jahren kommt zur mir und sagt: „steh auf, du bist noch nicht am Ende“. Ich antworte: „Ich brauche eine kurze Pause, lass mich kurz liegen“. Er sagt: „Wir machen einen Deal. Du stehst auf und ich gebe dir dafür Trauben­zuck­er“. Ich läch­le ihn an und richte mich auf. Er gibt mir den Trauben­zuck­er und mein Kör­p­er begin­nt sich wieder von allein zu bewe­gen. Neue Kräfte kom­men zum Vorschein. Ich kann endlich wieder laufen. Er läuft mit mir weiter. 

Nach ein­er Zeit, sage ich ihm, wie glück­lich ich bin, dass er bei mir ist. Lächel­nd und dankbar antwortet er, dass er froh ist, jeman­den gefun­den zu haben für den es etwas bringt. 

Ich bin ziem­lich von ihm beein­druckt. Ca. 12 Jahre alt und schon so empathisch. Den let­zten Kilo­me­ter lässt er mich allein laufen weil er auf Fre­unde warten will.

Es kommt ein Weg der eine län­gere Strecke bergab geht. Ich laufe schnell und werde immer noch schneller. So schnell, dass ich beschließe meine Schritte etwas sprung­hafter zu wählen um noch weit­er zu kom­men. Mit jedem Sprung komme ich noch ein gutes Stück weit­er, als wenn ich nur so laufen würde.

Endlich, das Ziel ist schon zu hören. Ich laufe auf ein Feld zu. Schei.…. wieder bergauf. Egal, die let­zten Meter laufe ich, jet­zt wird nicht mehr gegan­gen. 100 Meter später ändert sich meine Mei­n­ung, weil der Weg ein­fach zu steil ist. Ich muss nochmal kurz gehen. Jet­zt wieder bergab, der Boden ist rutschig, aber ich renne wieder was das Zeug hält. Die Gefahr ist groß auszu­rutschen, aber es sind auch nur noch wenige Meter also gehe ich das Risiko ein und renne so schnell mich die Füße tra­gen. Nun ist das Ziel in Sicht. Die Leute applaudieren schal­lend. Ich laufe durchs Ziel und bekomme meine Medaille. 

Ich bin so glück­lich und aus­ge­laugt zugleich. 

Das Duschen nach dem Lauf ist immer das Schlimm­ste. Wenn der Schlamm sich getrock­net hat, ist die Haut total wund und anges­pan­nt. Ich ste­he dann immer unter der Dusche und lei­de mehr als beim Laufen. Dieses Mal war ich so fer­tig, dass ich im Sitzen, halb liegend geduscht habe. Es war die Hölle, ich war um 9 im Bett und habe 11 Stun­den geschlafen. 

Muskelkater gab es reich­lich und der Zeh macht mir noch ein paar Prob­leme, aber das kriege ich auch wieder hin. 

Ver­anstal­ter: braveheartbattle.de

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